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Interkulturelle Sensibilität

Foto: Matthias Weber/photoweber.de

 

Die Gefahr von nur einer Geschichte

BNE beschäftigt sich auch mit Themen aus weit entfernten Gegenden der Welt und anderen Kulturen. Junge Menschen lernen, globale Phänomene wie Armut, Hunger und bewaffnete Konflikte zu verstehen sowie ihre Gründe und Konsequenzen zu benennen. Da die Themen oft sehr komplex sind, besteht die Gefahr, dass wir auf gedankliche Schablonen, Vereinfachungen und Stereotype zurückgreifen. Wie im Abschnitt zu BNE erklärt, will BNE Kompetenzen wie Weltoffenheit, Einfühlungsvermögen für andere und das Einnehmen neuer Perspektiven fördern.

Afrika ist kein Land – die Gefahr einer stereotypen Weltsicht

Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie sagte in ihrem interessanten und unterhaltsamen TED-Talk über eine stereotype, nur auf einem Narrativ beruhende Weltsicht: „Ein Narrativ allein führt zu Stereotypen. Das Problem liegt nicht darin, dass sie nicht stimmen, sondern darin, dass sie nicht vollständig sind. Aus einer Geschichte wird die einzige. […] Die Folge von nur einem Narrativ ist, dass Menschen ihre Würde genommen wird. Man kann andere kaum als gleichwertig betrachten, wenn man nur die Unterschiede zu ihnen betont, nicht aber die Ähnlichkeiten.“

Um eine solche Sicht auf die Welt nicht zu fördern, können Sie verschiedene Perspektiven in den Blick nehmen. Sie können sich klarmachen, welche Stereotype Sie selbst haben und verwenden – denn jede/-r von uns hat sie. Sie prägen uns von Kindesbeinen an. Durch sie entwickeln wir Vorurteile gegenüber konkreten Personen oder gesellschaftlichen Gruppen. Wie wir die Welt sehen, wird nicht nur von kulturellen Stereotypen bestimmt, sondern auch durch (post)koloniale und eurozentrische Narrative, lückenhaftes Wissen und Angst vor dem Anderssein. Medien und das Internet spielen eine Rolle, weil häufig schockierende, Aufsehen erregende und aus dem Zusammenhang gerissene Berichte gezeigt werden. Welche Folgen dies hat, zeigt der kurze Film „Afrika ist kein Land“.

Was heißt das für Jugendbegegnungen?

Bei Jugendbegegnungen (nicht nur) zu BNE gilt es, solche Denkmuster zu vermeiden, Vielfalt aufzuzeigen und so auf andere Menschen zu blicken, dass wir ihre Würde achten. Und das, ohne diskriminierende Bewertung und Stereotype – egal woher die Person kommt und wo sie lebt. Dies ergibt sich aus den Werten, auf denen nachhaltige Entwicklung beruht: Menschenwürde, Respekt, Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Insofern ist interkulturelle Sensibilität ein wichtiger Teil von BNE und unerlässlich, wenn wir an friedlichen und inklusiven Gesellschaften mitwirken wollen.

Wie über die Welt sprechen?

Wenn Sie bei Jugendbegegnungen Filme, Podcasts oder andere Beiträge nutzen, empfehlen wir, dass Sie sich mit den folgenden Hinweisen  vertraut machen:

Lasst uns …

  • Leid nicht dafür ausnutzen, um zu schockieren.
  • nur Informationen aus glaubhaften und überprüften Quellen nutzen.
  • Ursachen und Folgen der dargestellten Phänomene aufzeigen und sie in ihrem jeweiligen Kontext darstellen.
  • diejenigen zu Wort kommen, über die wir berichten und die von den jeweiligen Phänomenen betroffen sind. So können wir ihre Perspektive berücksichtigen. Nach Möglichkeit verwenden wir direkte Äußerungen und laden Gäste ein.
  • keine Stereotype fördern und überprüfen, ob nicht die Sprache, die Bilder oder die Bezeichnungen, die wir verwenden, bestehende Stereotype verstärken.
  • unterschiedliche Perspektiven einbeziehen, um komplexe Phänomene darzustellen. Besonders wichtig ist es, Sichtweisen von außerhalb des westlichen Kulturkreises zu berücksichtigen.
  • Empathie und das Bewusstsein für unsere gegenseitige Abhängigkeit fördern – wir suchen Ähnlichkeiten und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen.

Hier finden Sie einen sehenswerten polnischen Animationsfilm, der sich auch für die Arbeit mit Jugendlichen eignet. Es geht darum, wie wir über die Welt sprechen: Jak mówić o większości świata (deutsche Untertitel können eingestellt werden).

Interkultureller Dialog und kulturelle Vielfalt bei internationalen Jugendbegegnungen

Wenn Jugendliche an internationalen Projekten teilnehmen, können sie erleben, was Vielfalt in der Praxis heißt. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen! Durch Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen oder Milieus können sie bei ihrem Handeln und in Alltagssituationen gemeinsam entdecken, was sie trennt und was sie verbindet. So können sie lernen, wie Verständigung über Unterschiede hinweg gelingt.

Auch wenn Kultur spürbar beeinflusst, wer wir sind (unser Verhalten und die Werte, die für uns wichtig sind), so ist sie doch nur ein Puzzleteil unserer Identität. Unsere Identität besteht auch aus unserer Lebenserfahrung, unserer Sprache, unserem Geschlecht, unserer sozialen und religiösen Zugehörigkeit, unserem Alter oder auch unserer Weltanschauung.

Identität ist bei all ihrer Komplexität und Veränderbarkeit ein interessantes Thema für Gespräche mit Jugendlichen. Ganz im Sinne von BNE fördern solche Gespräche die Sensibilität und tragen zu einem besseren Verständnis von sich und der Welt bei – und oft lernen wir auch selbst dazu.